Im Ringen um einen Investoreneinstieg bricht die DFL ihre erste und wichtigste rote Linie, noch bevor der Investor an Bord ist. Das lässt Schlimmes befürchten, was die vielbeschworenen roten Linien wert sind, wenn Geld an die erste Stelle tritt, und darf nicht folgenlos bleiben.
Der bei der DFL-Mitgliederversammlung am 11.12.2023 gefasste Beschluss zum Investoreneinstieg stellt eine Zäsur dar. Zum kritikwürdigen Inhalt dieses Beschlusses ist an anderer Stelle bereits viel gesagt worden.
Das Zustandekommen des Beschlusses erschüttert den deutschen Fußball in seinen Grundfesten, der 50+1-Regel. Denn allem Anschein nach kamen die benötigten 24 Stimmen für einen Liga-Investor nur zusammen, weil mit Martin Kind ein Klub-Investor entgegen der verbindlichen Weisung des Muttervereins dafür gestimmt hat. Breit grinsend kokettiert dieser nun mit seiner Ja-Stimme und versteckt sich hinter der geheimen Abstimmung. Ein beschämender Vorgang, ein Hohn für die 50+1-Regel, der letztlich auch die DFL-Argumentation bezüglich der 50+1-Konformität von Hannover 96 ad absurdum führt.
Den 2019 zwischen Verein und ausgegliederter Gesellschaft geschlossenen Vertrag sah die DFL damals nur unter Verweis auf das letztliche Weisungsrecht des Muttervereins als 50+1-konform an. Wenn die DFL nun durch das Mittel der geheimen Abstimmung diese Weisungsbefugnis ins Leere laufen lässt, ist dies ein skandalöser Vorgang, der einmal mehr offenlegt, wie nachlässig die DFL als Regelhüterin auftritt. Dabei ist der Prozess mit dem Bundeskartellamt kurz vor dem Abschluss und die lang ersehnte Rechtssicherheit für 50+1 in Sichtweite. Dieser Erfolg ist jedoch nur dann etwas wert, wenn 50+1 auch konsequent bei den Klubs durchgesetzt und überdies auch bei DFL-Versammlungen gelebt wird.
DFL und Klubs sind jetzt gefordert
Die DFL ist jedoch kein unabhängiger Akteur, sondern besteht aus 36 Erst- und Zweitligisten. Diese stehen in der Verantwortung. Gerade die Klubs, deren Stärke nicht auf wettbewerbsverzerrenden Finanzströmen, sondern starkem Mitgliederwesen beruht, sind jetzt gefragt.
Es gibt unter diesen Umständen nur eine korrekte Handlungsoption: eine Wiederholung der Abstimmung, und zwar nicht mehr geheim. Generell gibt es keinen redlichen Grund, warum auf DFL-Versammlungen geheim abgestimmt werden sollte. Dieses Instrument der Demokratievermeidung gehört aus den DFL-Statuten gestrichen, geheim dürfen höchstens Wahlen sein, niemals Abstimmungen. Hier sind die DFL-Mitglieder gefordert. Von der DFL als Dachverband fordern wir zudem entschiedene Schritte, um den Verein Hannover 96 in der Durchsetzung von 50+1 zu unterstützen. Der kalkulierte Verstoß gegen 50+1 als Lizenzkriterium der DFL darf nicht geduldet werden, nur weil das zustande gekommene Abstimmungsergebnis opportun erscheint.
Das letzte bisschen Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
Wie sollen Fans einem Ligaverband mitsamt der dort organisierten Klubs Ausführungen zu „roten Linien“ glauben, wenn die aus Fan-Sicht wichtigste rote Linie im deutschen Profifußball, die 50+1- Regel, zum Zwecke eines Investorendeals so offenkundig verhöhnt wird? 50+1 wird sogar explizit als eine der „roten Linien“ in den bevorstehenden Verhandlungen über die Investorenbeteiligung von der DFL genannt. Aber wer soll das nach dieser Beschlussfassung noch ernst nehmen? In der jetzigen Situation hat die Formulierung roter Linien seitens der DFL jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Diese kann die DFL nur zurückgewinnen, wenn sie umgehend anfängt, eben diese einzuhalten: mit einer Wiederholung der Abstimmung unter Überwachung der konsequenten Einhaltung von 50+1 durch alle Klubs.
Unsere Kurve, 20. Dezember 2023