Übermorgen beginnt die WM in Katar. Mit Beteiligung der deutschen Nationalmannschaft. Hingegen ohne viele Fußballfans, die den Fernseher abschalten und angewidert weggucken, obwohl die Besten der Besten gegeneinander spielen. Wie konnte es so weit kommen?
Dass Regime den Sport für ihre Zwecke missbrauchen und gerade der Fußball willfährig mitmacht, ist leider ein altbekanntes Phänomen. Erinnert sei beispielsweise an die schandhafte WM 1978 in Videlas Argentinien. Auch die Korruption in Fußballverbänden ist keine Neuheit. Wann immer sie geschieht, wird sie mit Empörung geleugnet. Und Jahre später kleinlaut eingestanden, ohne Schuldeinsicht freilich. Die Käuflichkeit unseres geliebten Sports ist das Problem, das an der Wurzel behandelt gehört.
Doch weiterhin wird die Korruption rund um die WM-2006-Vergabe – seit sie nicht mehr geleugnet werden kann – als Kavaliersdelikt dargestellt. Passend dazu wird die Korruption bei der Doppelvergabe der WM 2018 und 2022 als unglücklicher Umstand umschrieben, mit dem man nun mal arbeiten müsse. Wir können nur wiederholen: Nein, gekaufte Weltmeisterschaften sind nichts, was große, mächtige Verbände wie der DFB einfach so hinnehmen müssen. Die Tatsache, als Verband selbst eine WM gekauft zu haben, mindert nicht etwa die Verantwortung für einen Kulturwandel im Fußball aufzustehen, sondern vergrößert diese vielmehr. Eine Verantwortung, eine Bürde, an der der DFB bislang scheitert.
Bezüglich der anstehenden WM in Katar sind wir nach wie vor der festen Überzeugung: Über all die Jahre seit der WM-Vergabe, bis ins letzte Jahr, hätte der DFB viel Gutes bewirken können, wenn er seine Turnier-Teilnahme an einen Kriterienkatalog, an zu erfüllende Bedingungen geknüpft hätte, wie Unsere Kurve noch im April letzten Jahres aufgezeigt hatte.
Doch auch noch jetzt könnte der DFB wichtige Zeichen setzen: Wir denken hierbei vor allem an eine transparente Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit im Hinblick auf Korruption und nehmen die anstehenden Erlöse aus der Katar-WM in den Blick. Denn das eine ist, eine Mannschaft zu dem Turnier zu schicken. Das andere, daran auch noch Geld zu verdienen.
Wir fordern: Jeder Euro, den der DFB einnimmt, den er bei sportlicher Nichtqualifikation nicht eingenommen hätte, ist in einen Fonds einzuzahlen, der den Entrechteten vor Ort zu Gute kommt. Dies wäre der lang ersehnte Startschuss für einen glaubhaften Neuanfang beim DFB. Gerade jetzt, wo erste Verbesserungen in der Führungsriege zu beobachten sind, wären solch wichtige Maßnahmen möglich. Bitter nötig sind sie allemal.
Niemand, der dieses Turnier befürwortet und die Bedingungen relativiert, sollte in polemischen Debatten hierzulande jemals wieder die Floskel „muss es denn erst Tote geben, bevor ein Umdenken stattfindet“ verwenden. Denn offensichtlich zählen Menschenleben nicht, zumindest – und das ist die unerträgliche Wahrheit rund um dieses Turnier – wenn sie aus Pakistan, Nepal, Bangladesch kommen. Und wie viel im Big-Business-Fußball Frauenrechte, LGBTQ-Rechte sowie die Presse- und Meinungsfreiheit wert sind, ist so traurig wie offensichtlich.
Mit der WM in Katar wurde so offensichtlich wie nie, wie stark der Weltfußball von Korruption und Machtinteressen durchdrungen ist. Und welche fatalen Folgen hieraus für unzählige Menschen entstehen.
Aus diesen Gründen ist für uns klar: Das ist nicht unsere WM. Deshalb lassen wir den Fernseher aus und treiben uns bei den zahlreich angebotenen Alternativ-Veranstaltungen, auf dem Bolzplatz und beim Frauenfußball rum. Denn wer Fußball liebt, braucht diese WM definitiv nicht.