Schild mit Hinweis auf leere Gästeblöcke

Reform der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung dringend notwendig

Nach 18 Monaten ohne Kollektivstrafen – aufgrund der Empfehlung des damaligen Präsidenten Grindel – verurteilte das DFB-Sportgericht im Dezember 2018 Borussia Dortmund zu einem Gästeausschluss bei Spielen in Sinsheim bis Ablauf der Saison 2021/22 auf Bewährung. Diese Bewährung soll Medienberichten zufolge nun rechtskräftig zurückgenommen werden. Wir kritisieren diese Bewährungsauflage und Sanktionsform durch das DFB-Sportgericht sowie die Abweichung von der damaligen Empfehlung aufs Schärfste.

Kollektivstrafen sind keine Lösung

Wir lehnen nach wie vor jegliche Ausgestaltungen von Kollektivstrafen kategorisch ab. Diese übergehen das Prinzip des Nachweises von individuellen Vergehen und deren Sanktionierung, sie bestrafen Unbeteiligte und schüren Gefühle von Willkür. Uns ist kein Fall bekannt, der aufgrund der Aussprache von Kollektivstrafen zu einer positiven Verhaltensveränderung geführt hat. Vielmehr zeigen vergangene Beispiele, wie die Reaktion der Dortmund-Fans beim zurückliegenden Auswärtsspiel in Sinsheim, dass solche Strafen als Provokation erlebt und Fronten verhärtet werden. Konflikte lösen diese Sanktionen jedenfalls nicht. Auf die vielen Probleme, die mit Kollektivstrafen einhergehen, haben auch andere Akteure im Fußball wiederkehrend hingewiesen.

Wir fordern alle Beteiligte, insbesondere den Verband DFB und die Vereine als Mitglieder des DFB, zu einem Umdenken und einer klaren Positionierung gegen Kollektivstrafen auf. Wir erwarten, dass ein Reformprozess zur Änderung der Rechts- und Verfahrensordnung beginnt. Die Zeit dafür ist längst gekommen.

Dieser Erklärung haben sich die Netzwerke QFF – Queer Football Fanclubs und F_in Frauen im Fußball angeschlossen.

Zweifelhafte Bewertung mit inakzeptablen Konsequenzen

Im Sommer 2017 setzte der damalige DFB-Präsident Grindel durch eine Empfehlung an den Kontrollausschuss sogenannte Kollektivstrafen aus. Diese Entwicklung wurde von den bundesweiten Fanorganisationen als äußerst wichtiger Schritt in der Annäherung zwischen Fanvertretungen und Verbänden eingeordnet. Bis Ende 2018 blieb diese Empfehlung gültig. Dann wurde erneut durch das DFB-Sportgericht eine Kollektivstrafe in Form eines auf Bewährung ausgesetzten Ausschlusses von Dortmunder Gästefans bei Pflichtspielen in Hoffenheim ausgesprochen. Grundlage dafür ist ein als unsportlich bewertetes Verhalten gegenüber Dietmar Hopp von Dortmunder Anhänger*innen bei der Partie gegen Hoffenheim am 22. September 2018. Diese Bewährung soll nun zurückgenommen und damit der faktische Ausschluss von Gästefans aus Dortmund bei Spielen in Sinsheim rechtskräftig werden.

Bereits die Aussetzung zur Bewährung verstehen wir als Feigenblatt und kläglichen Versuch, die Verantwortung für die letztliche Kollektivstrafe den Dortmunder Fans zuzuschieben. Wer davon schreibt, dass „das Sportgericht an die Eigenverantwortlichkeit der Dortmunder Störer, zukünftig derartige Aktionen zu unterlassen“ appelliert, will mit seinem Urteil massiven sozialen Druck erzeugen oder kalkuliert ein Scheitern der Bewährung bereits ein. Zudem fehlt das Verständnis für Prozesse der Selbstregulierung, die nicht von oben herab durch eine Ansprache an „Störer“ verordnet werden kann. Die pauschale Erwartung, dass es „letztlich […] in der Verantwortlichkeit der Dortmunder Störer [liegt], ob es zu dem Teilausschluss kommt oder nicht“ (Entscheidung Nr.67/2018/2019), bestätigt das deutlich.

Wir stellen grundsätzlich nicht in Abrede, dass es sich um einen beleidigenden Sachverhalt handelte. Trotzdem werfen wir mit Blick auf die Rechtsgrundlage die Frage auf, inwieweit tatsächlich ein negatives Verhalten vorlag, das „durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft verletzt“ (§9 Nr.2 DFB Rechts- und Verfahrensordnung). Erst dann wäre aus unserer Sicht die Grundlage für einen (Teil-)Ausschluss nach §9 Nr.3 überhaupt gegeben.

Kritik an Projekten wird nicht ernst genommen

Die Debatte um Hoffenheim und Dietmar Hopp ist nicht neu, sondern mittlerweile in der Bundesliga seit zwölf Jahren ein Thema. Fanszenen begegneten Hoffenheim und dem Mäzen Dietmar Hopp sowohl mit kritischen, kreativen, als auch beleidigenden Äußerungen. Ähnlich wie im später dazu kommenden Fall des Konstruktes RasenBallsport Leipzig war die anfängliche Kritik in weiten Teilen von tiefer gehenden Analysen und sachlich fundierten Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Diese stießen in beiden Fällen auf wenig Resonanz. Konsequenzen aus dieser Kritik folgten nicht.

Umgekehrt ist der Eindruck vorhanden, dass die mediale Aufmerksamkeit umso deutlicher ausfällt, je provozierender die Aussagen und Aktionen verlaufen. Interessanterweise aber im Fall von Hoffenheim nicht zwingend von Dietmar Hopp selbst. Er meldete sich zwar regelmäßig zu Wort und kritisierte Schmähgesänge und beleidigende Banner. Doch erst in den letzten Jahren steigerte sich seine persönliche Betroffenheit enorm. In der zweiten Jahreshälfte 2018 stellte er schließlich einen Strafantrag wegen Beleidigung.

Wir wiesen damals schon darauf hin, dass dieser Schritt nicht zu einer Befriedigung des Konfliktes führt, sondern ihn eher noch verschärft. Wir sehen diese Konsequenz auch in der Bewährungsauflage, die nun gefallen ist. Ein Teilausschluss von Zuschauer*innen wirkt auf uns wie eine hilflose Reaktion auf ein Problem, für das die Verantwortlichen beim DFB-Sportgericht keine Lösung haben. Stattdessen entstehen neue Probleme.